Jahresthema 2018/19
Nachhaltige
Digitalisierung
Du surfst mehr als du denkst
Digitalisierung ist in aller Munde, … und in allen Händen und Köpfen, Küchen, Häusern, Städten, Arbeitsstellen, Betten. Ganz selbstverständlich dringt sie mit den vielen Geräten und Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in immer mehr unserer Lebensbereiche ein. Wir befinden uns mitten in der digitalen Revolution. Und die wird alles ändern: Geschäftsfelder, unsere Kommunikation, Herstellungsverfahren und Konsumweisen. Mit dem Internet der Dinge (IoT), Big Data, künstlicher Intelligenz, Smart Cities oder selbstfahrenden Autos werden derzeit Visionen entworfen, die weitreichende Auswirkungen auf alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche haben. Nur kann diese Entwicklung auch zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Welt beitragen? Wir wollten im Projektjahr 2018/19 vor allem auf ökologische, soziale und ökonomische Auswirkungen der Digitalisierung aufmerksam machen. Sei es der enorme Strom- und Ressourcenverbrauch (also die materielle Kehrseite der immateriellen Onlinewelt), seien es gravierende Umweltschäden und Arbeitsbedingungen bei der Produktion unserer elektronischen Spielzeuge oder Menschenrechtsverletzungen, die mit der immer stärker werdenden Vernetzung und Überwachung einhergehen – genug inhaltliches Futter gab es allemal.
PS.: Die tollen Grafiken in den Beiträgen wurden von unseren ehrenamtlichen Johannes Wendsche, Chiara Nicoletto und Nadine Michailow erstellt.
Was kannst du tun?
Informiere dich über die Energie-, Ressourcen- und Datenverbräuche deiner Geräte und Anwendungen!
Nutze das Internet, um deine Sachen zu reparieren oder existierende Geräte aufzurüsten, anstatt alte durch neue zu ersetzen. Dabei helfen Seiten wie: Kaputt.de, Repaircafes, Mein Macher, HandyDoc und eSchrott.
Teile das Wissen der Menschheit offen, damit alle davon profitieren können und nicht allein die kommerziellen Interessen einzelner mächtiger Konzerne im Vordergrund stehen.
Das Motto lautet Threema statt WhatsApp, Posteo statt Gmail, Startpage oder DuckDuckGo anstatt Google. Werde Kund*in von genossenschaftlichen Händlerorganisationen wie Fairmondo anstelle von kapital-intensiven, monopolistischen Konzernen wie Amazon, alias „The Shop“.
Leih dir Sachen beim Depot, buche Unterkünfte bei FairBnB, probiere die Restaurantführer Vanilla Bean, Vebu, VeganMap oder Veg Travel Guide aus und nutze Flinc (Mitfahrgelegenheiten) sowie nextbike (Fahrräder). Nutze den Einkaufsratgeber Greenpeace-Fischratgeber und die Kleidungsratgeber FairFashionFinder oder Rankabrand. Mit der LabelApp lernst du Nachhaltigkeitssiegel zu unterscheiden und mit der Foodsharing-App beugst du Essensverschwendung vor. Auf Plattformen wie utopia.de (https://utopia.de/) werden diese Informationen sogar gebündelt angeboten.
Auf der Plattform Loconomics haben sich Anbieter von Dienstleistungen zusammengeschlossen und stellen eine Alternative zu proprietären Seiten wie Taskrabbit oder MyHammer dar. Auf Stocksy bieten Fotograf*innen ihre Werke an und erhalten neben einer Provision einen Anteil am Gewinn der Plattform. Auf der Streamingseite Resonate bezahlen Hörer*innen pro Song, und hören sie ein Lied oft genug, dann gehört es ihnen.
Der Mut, öfter mal offline zu gehen, von vielen als Digital Detox bezeichnet, ist das erste Erfolgsrezept zur Entschleunigung des Lebenstempos.
Das Problem
Schon bei ihrer Herstellung erfordern digitale Geräte, Infrastrukturen und Anwendungen enorm viele Ressourcen und Energie. Ein einzelnes Smartphone hat mit 5 g Kobalt, 15 g Kupfer, 22 g Aluminium scheinbar keinen sehr hohen Umweltverbrauch. Kritisch wird erst der Blick auf die Gesamtmenge: In den letzten 10 Jahren wurden weltweit über 7 Milliarden Smartphones verkauft, also 38.000 t Kobalt, 107.000 t Kupfer, 157.000 t Aluminium und Tausende Tonnen weitere Materialien verbaut. Und zu den Smartphones summieren sich die PCs, die Tablets, die MP3-Player, die Kameras etc. Noch dazu kommt die „unsichtbare“ digitale Infrastruktur in Form von Datenkabeln, Servern und Rechenzentren. 25 % des weltweit gewonnenen Silbers werden heute in IT-Produkten verbaut. Neben Silber stammen auch andere Rohstoffe der Elektroindustrie, wie Kobalt, Tantal, Platin oder Palladium aus Ländern, in denen Menschen unter unwürdigsten Bedingungen mit hohen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken arbeiten müssen. Auch die Entsorgung der oft kurzlebigen Geräte als Elektroschrott findet häufig in Ländern des Globalen Südens statt und verursacht dort frühe Sterblichkeitsraten und Umweltschäden. Das Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) mit weiterem Bedarf an vielen digitalen Geräten verschärft diese Entwicklung drastisch.
Wäre das Internet ein Land, hätte es weltweit gesehen den sechstgrößten Stromverbrauch. Der weltweite Stromverbrauch aller IKT beläuft sich bereits heute auf 10 % der weltweiten Stromnachfrage, Tendenz steigend. Allein zwischen 2000 und 2005 hat sich der Stromhunger des World Wide Web verdoppelt. Das ist kaum verwunderlich. Die im Internet verarbeitete Datenmenge verdoppelt sich sogar alle vier Monate. Allein das Videoportal YouTube produziert heute so viel Datenverkehr wie das gesamte Internet vor zwei Jahren. Das Internet der Dinge wirbt mit stromsparenden Fähigkeiten, bspw. durch automatisches Lichtlöschen und Heizungsdrosseln bei Abwesenheit. Viele Geräte im IoT (Internet of Things) verbrauchen allerdings ebenso Strom. In Summe könnte dies zu einem deutlichen Zuwachs des Energieverbrauchs führen. Neben dem Energiebedarf für den Betrieb schlägt auch der für die Produktion deutlich zu Buche. Der Stromverbrauch für die Herstellung der 7 Milliarden weltweit produzierten Smartphones entspricht mit 250 Terawattstunden dem jährlichen Stromverbrauch von Ländern wie Schweden oder Polen. Daher gilt: je mehr wir in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen auf digitale Lösungen setzen, die nicht ohne Strom funktionieren, desto größer wird die Herausforderung sein, auf erneuerbare Energien umzustellen. Andererseits wird eine flexible und bedarfsangepasste dezentrale netzgesteuerte Stromerzeugung nicht ohne digitale Vernetzung möglich sein.
Nur ein Bruchteil der smarten Erfindungen ist darauf ausgelegt, die Stromnachfrage nachhaltiger, z. B. flexibler oder sparsamer, zu gestalten. Der weitaus größere Teil dient dem Komfort und verbraucht somit zusätzliche Energie, auch wenn jedes einzelne Gerät sparsamer wird. Untersuchungen zur Energiebilanz von intelligenten Messsystemen zeigen, dass deren Nettoeffekte bedeutend geringer sind, wenn man die nötige Energie für Produktion und Gebrauch der Geräte mitrechnet. Werden komplette Haushalte zu Smart Homes ausgerüstet, besteht die Gefahr, dass funktionierende „Alt“-Geräte ausgetauscht und entsorgt werden. Die automatische Kommunikation und die digitale smarte Steuerung verbrauchen selbst ebenfalls Strom, der vorher nicht benötigt wurde. Aus diesen Gründen ist die Forderung nach einem moderaten Maß an Digitalisierung sinnvoll: So viel wie nötig und so wenig wie möglich.
Im Bereich nachhaltiger Konsum wird es durch Online-Angebote wie Avocadostore, Freecycle, Drivy oder Fairteilen leichter, faire und gebrauchte Sachen zu kaufen oder zu teilen. Die Digitalisierung bietet hier das Potential, das Konsumniveau nachhaltiger zu gestalten bzw. zu senken und Ressourcen zu sparen. Aber wie der allgemeine Konsumtrend zeigt, werden diese Optionen gesamtgesellschaftlich bislang noch zu wenig genutzt. Zudem steigt der Onlinehandel stetig an: im Durchschnitt der letzten 10 Jahre um 17 % … jährlich (!). Aus Nachhaltigkeitssicht problematisch daran ist, dass der herkömmliche Handel im Ausgleich dazu nicht sinkt, sondern ebenso weiter wächst, wenn auch nicht so rasant, um nur 1 % pro Jahr. Trotz aller nachhaltigen Optionen für den Wiederverkauf gebrauchter Waren, Do it yourself und Teilen wirkt die Digitalisierung bislang also insgesamt konsumsteigernd und nachhaltige Online-Optionen werden eher als Ergänzung statt als Alternative genutzt. Zudem tragen Werbung und Marketing schon lange dazu bei, dass das Konsumniveau im globalen Norden aus umweltpolitischer Sicht viel zu hoch ist. Big Data-Analysen und Personalisierung der Werbung eröffnen nun weitere Wege, um laufend neue Konsumwünsche zu wecken. Unsere gesammelten Daten werden dazu genutzt, uns immer mehr Sachen anzudrehen, von denen wir bis vor Kurzen gar nichts wussten und die wir uns nun sehnlichst wünschen. Aufgrund der Personalisierung werden wir im Internet von noch mehr Produkten umworben, die ziemlich genau unsere Interessen treffen. Das macht es schwerer, dem Angebot zu widerstehen. Das Internet hat sich von seiner ursprünglichen Idee des Informationsaustausches hin zu einer riesigen, personalisierten Verkaufsmaschine entwickelt. Und je mehr Zeit, Mühe und Kosten durch Digitalisierung gespart werden, desto mehr wird in der Regel auch konsumiert.
Ein Vergleich von Ökobilanzen digitaler bzw. konventioneller analoger Dienstleistungen, also der Vergleich zwischen E-Book und Buch, zwischen CD-Kauf und Streaming oder zwischen Online-Shopping oder Einkauf im Geschäft, zeigen oft keine signifikanten Unterschiede. Ob die eine oder die andere Umweltwirkung besser ist, entscheidet sich mit dem Nutzungsverhalten des Endverbrauchers. Allerdings verändert die Bequemlichkeit des erleichterten Abrufs die Anzahl und Frequenz der Nutzungen und führt zum Rebound-Effekt (https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische-rechtliche-aspekte-der/rebound-effekte). Dieser beschreibt, dass eventuelle Effizienz-Einsparungen bei einem einzelnen Produkt durch den Mehrkonsum von vielen Produkten wett gemacht bzw. häufig sogar ins Negative gekehrt werden. Oft wird jedes einzelne Endgerät zwar immer energieeffizienter, aber gleichzeitig nutzen wir sie öfter am Tag, über längere Stunden, auf größeren Bildschirmen oder schnelleren Rechnern.Außerdem kommen durch stetigen Systemwechsel im IT-Bereich die ständig neuen Geräte obendrauf zu den funktionstüchtig im Keller gelagerten Schallplattenspielern, Kassettenrekordern, Stereoanlagen, Walkmans, CD-Playern, Discmans etc.
Allein 2015 wurden 42 Megatonnen Elektroschrott aussortiert – so viel wie das Gewicht aller PKWs auf deutschen Straßen zusammen. Auch die Warenverpackungen (Paketkartons, Styroporhüllen, Plastikfolien) des Onlinehandels produzieren viel Müll. In den 1990ern war es dank umweltpolitischer Anstrengungen in Deutschland gelungen, die Menge an Verpackungsmaterialien auf 13 Millionen Tonnen zu verringern. Doch seitdem der Verbrauch wieder zunimmt, wachsen auch die Müllberge wieder an, 2014 bspw. auf 18 Millionen Tonnen Verpackungsmüll. Und selbst wenn ein Teil dieser Materialien recycelt werden kann: auch Recycling kostet Energie und lässt sich nicht endlos wiederholen. Und nicht jeder „Müll“ landet auf einem Entsorgungsplatz. Neben dem physischen Müll entsteht auch gasförmiger Abfall. Der CO2-Ausstoß des gesamten Internets war bereits im Jahr 2007 so hoch wie der des weltweiten Flugverkehrs.
Das World Wide Web ist gleichzeitig Chance und Bedrohung: Menschen können wie nie zuvor kommunizieren, sich koordinieren und Menschenrechtsverletzungen öffentlich machen. Menschenrechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit werden dadurch gestärkt. Doch gerade deshalb ist das Internet auch ein „lohnendes Ziel“ für staatliche Eingriffe wie Massenüberwachung, gezielte Überwachung, Zugangssperren, Zensur bis hin zu Übergriffen(siehe z.B. den Fall Raif Badawi). Die, spätestens durch Edward Snowden bekannt gewordene, unverhältnismäßige Sammlung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Staat selbst oder durch Private, denen der Staat keine ausreichenden gesetzlichen Beschränkungen auferlegt, ist ein tiefer Eingriff in das Recht auf Privatsphäre.
Das World Wide Web steckt auch voll mit World Wide Dreck, den wir – die Nutzer*innen von sozialen Netzwerken – nicht zu Gesicht bekommen sollen. Denn es könnte dem Image der sozialen Plattformen schaden. Algorithmen können Bildinhalte erkennen, aber nicht einordnen. Sogenannte Content Moderator*innen in Niedriglohnländern überprüfen im Auftrag von Facebook, Google & Co das Internet. Der Dokumentarfilm „The Cleaners“ von Hans Block und Moritz Riesewieck zeigt, wie diese unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen pro Tag 25.000 Fotos und Videos mit verstörenden pornografischen, rassistischen, sadistischen und gewalttätigen Inhalten bewerten müssen. Unter enormen Zeitdruck müssen sie nach intransparenten Kriterien entscheiden, ob sie Inhalte löschen oder weiterhin im Netz lassen. Diese Arbeit impliziert eine hohe psychische Belastung und hinterlässt schwerwiegende Folgen bei den Betroffenen. Außerdem stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien IT-Unternehmen entscheiden, welche Inhalte ihre Nutzer*innen sehen dürfen oder nicht und wie sie damit auch die reale Welt beeinflussen.
Internetkonzerne tragen – durch eine ausgeklügelte Steuer-Vermeidungsstrategie, die der rechtlich noch zu wenig regulierte digitale globale Raum möglich macht,- kaum zur Finanzierung der digitalen Infrastruktur bei. Internationale IT-Unternehmen tragen auch nicht zur Finanzierung des Gemeinwesens bei, obwohl IT-Konzerne inzwischen zu den finanzstärksten Unternehmen gehören. Darüber hinaus nutzen sie Telefon-Datenkabel und sonstige digitale Infrastruktur kostenlos ohne sich entsprechend an deren Schaffung und Unterhalt zu beteiligen. Demgegenüber liegt ein wesentlicher Teil des Internets (z.B. Rechenzentren) in der Hand relativ weniger großer privater Unternehmen. Dies wirft Fragestellungen im Kontext demokratischer Prozesse und globaler Gerechtigkeit auf. Zum Beispiel: Wie wird eine Netzneutralität, also die unabhängige Übertragung von Daten in Bezug auf Inhalt, Absender*innen und Empfänger*innen, gewährleistet? Was passiert in Gegenden in denen ein leistungsfähiges Netz nicht profitabel betrieben werden kann?
Prinzipiell bietet der Megatrend Digitalisierung etliche Möglichkeiten für umweltgerechtere Produktions- und Konsumweisen. Die bestehenden gesetzlichen, ökonomischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen führen jedoch dazu, dass soziale und ökologische Probleme mit voranschreitender Digitalisierung eher verschärft als gemindert werden. Unkritische Herangehensweisen, die sich in der Parole „Digitalisierung first, Bedenken second“ spiegeln, werden nicht zur Nachhaltigkeit beitragen. Stattdessen gilt es gut nachzudenken und klug zu steuern, solange die Gestaltungsfenster offen sind. Denn hat sich ein digitales System erst einmal etabliert, ist es schwer, die Weichen in Richtung sozialökologische Wende zu verstellen. Sonst besteht die Gefahr, dass eine Digitalisierung unter den bestehenden ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen viele gesellschaftliche Probleme eher noch verschärfen dürfte.
Umsetzung der Spots
Upgradewahn
Ein Kunde geht in den Handyladen seines Vertrauens und möchte sich beraten lassen, da er keine Updates mehr für sein Handy bekommt. Prompt schwatzt der Verkäufer ihm ein neues Handy auf. Was zunächst als zufriedener Gang zur Kasse erscheint, entpuppt sich als gehetztes Hin-und-Her eines Upgradewahns, in dem man nie das neueste Modell erhaschen kann. Alles ist sofort wieder Schnee von gestern – einfach zum Verzweifeln.
Im Rahmen unserer Recherche begegneten uns zwei aktuelle Publikationen. Zum einen „Smarte grüne Welt – Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit“ von Tilman Santarius und Steffen Lange und zum anderen „Der blinde Fleck der Digitalisierung – Wie sich Nachhaltigkeit und digitale Transformation in Einklang bringen lassen“ (https://suehlmann-faul.com/buch/) von Felix Sühlmann-Faul und Stephan Rammler. Tilmann Santarius und Felix Sühlmann-Faul durften wir sogar live erleben auf der unglaublich lehrreichen und spannenden „Bits und Bäume“-Konferenz in Berlin. Ihre Beiträge sind auch online (https://media.ccc.de/c/bub2018) verfügbar. Während dieser Konferenz sammelten wir fleißig Ideen, u. a. auch von Felix Sühlmann-Faul selbst, und führten beflügelnde und kontroverse Gespräche mit beiden Parteien, den „Bits“ – also den IT-affinen Vollprofis und den „Bäumen“ – Menschen, denen Nachhaltigkeit und ökologisches Handeln sehr am Herzen liegen. Ein Ergebnis der Konferenz sind Forderungen, die auch wir in vollem Umfang unterstützen. Wie Nachhaltigkeit und digitalisiertes Produkt par excellence zusammen funktionieren, konnten wir auf unseren Infoveranstaltungen in Dresden und Leipzig zeigen. Gemeinsam mit dem KLAK Fahrradkino brachten wir jeweils 150 Menschen im Publikum zum Schwitzen und Nachdenken. Es wurden Klimakurzfilme und unsere Spots auf einer großen Leinwand gezeigt, wobei die gesamte Energie für den Beamer und die Soundanlage durch Muskelkraft auf zehn Fahrrädern erzeugt wurde. Das Medium Film wählten wir auch in Chemnitz für unsere Infoveranstaltung. In Kooperation mit dem „Filmclub Mittendrin“ (https://www.tu-chemnitz.de/stud/club/mittendrin/) erfuhren wir und 54 Teilnehmende durch die im August 2018 erschienene Dokumentation „Welcome to Sodom – Dein Smartphone ist schon hier“ mehr über die Lebensumstände und Schicksale der Menschen, die auf der weltweit größten Elektroschrott-Müllhalde in Agbogbloshie in Ghana leben. Und zuguterletzt fand auch in diesem Jahr wieder ein PoetrySlam zu unseren Themen statt, bei dem wir neben den vortragenden Slammer*innen 119 Menschen im Publikum begrüßen konnten. Insgesamt konnten wir durch 12 Standaktionen, 4 Infoveranstaltungen und 7 Kurzvorstellungen rekordverdächtige 1.718 Bürger*innen erreichen. Einer dieser Menschen war auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretzschmer, dem wir auf der Ideenkonferenz „Smart City: Morgen ist heute“ der Verbraucherzentrale Sachsen die Hand schüttelten und gleichzeitig für mehr Nachhaltigkeit auch im Kohlestromland Sachsen sensibilisierten. Über 160 Personen haben sich insgesamt an unserer Ausschreibung beteiligt und einzeln oder in Gruppen kreative, witzige oder traurige, spektakuläre oder ruhige Spotideen in Textform bei uns abgegeben. In der Jury mit Personen aus Entwicklungspolitik, Kultur, Film, Verwaltung, Hochschule und Zivilgesellschaft wählten 12 Anwesende und 33 digital Abstimmende die jeweils beste Idee für Dresden, Chemnitz und Leipzig aus.
Never touch a running system – auch dieses Jahr bewies sich die Kombination aus dem Potsdamer Regisseur Thomas Frick und der Dresdner Produktionsfirma ravir film GbR, sowie vielen fleißigen, freiwilligen Engagierten als absoluter Hauptgewinn für die professionelle Verfilmung der ausgewählten Siegerideen. Mit dem Teilauto-Bus ging es für die Filmcrew inklusive aller Requisiten und Versorgungspaket am 13.05.2019 zunächst nach Chemnitz auf den Kassberg. Dort mussten anschließend die Kund*innen vor der Tür des Handyladens „Kommunikation & Medien“ Schlange stehen und geduldig auf die Drehpausen warten. Über diese Wartezeit konnte aber unser leckeres, selbst-kreiertes Buffet, gezaubert aus geretteten Lebensmitteln der Dresdner Tafel (http://dresdner-tafel.de/), hinwegtrösten. In Dresden behielten die hochmotivierte Film-Crew samt Hauptdarsteller*innen und Statist*innen am 03.06.2019 bei über 30 °C in Hellers Kuchenglocke einen kühlen Kopf und das Café verwandelte sich in eine wuselige Speeddate-Location. Versorgt mit hausgemachten Köstlichkeiten aus der Kuchenglocke und geretteten Lebensmitteln in Form von Brötchen und Kuchen vom Vortag ließen wir auch hier in kulinarischer Hinsicht die Herzen höher schlagen. Hinter der geheimnisvollen Stimme am Ende unserer Spots verbirgt sich dieses Jahr Yassin Trabelsi, der die Botschaft unserer Filmspots perfekt untermalt. Und jetzt geht‘s ab in die Kinos. Jede*r darf unsere Spots nutzen und zeigen. Sprecht uns gerne an!
„Hallo Steve.“ Freudig begrüßt Isabell alias Ulrike Sperberg (tjg – theater junge generation) ihr Gegenüber im Rahmen eines Speeddatings. „Meine Freunde nennen mich Stevi.“ erwidert Steve, gespielt von Erik Brünner, freundlich. Augenblicklich ertönt ein seltsames Geräusch, gefolgt von einer dumpfen Computerstimme: „Dein Socialmedia-Account sagt, du hast keine Freunde.“ Diese Situation möchte wohl niemand gerne erleben, denn sie lässt sich nur mit einem einzigen Wort beschreiben – peinlich. Was für eine gruselige Vorstellung, wenn das Handy jegliche Interaktion aufzeichnet, auswertet und anschließend auch noch lautstark mitteilt. Lange hält Steve die Kommentare seines Handys auch nicht aus und flüchtet bald im Rückwärtsgang aus dem Café. Doch auch Isabell bleibt zu allem Übel von den Überwachungseigenschaften und der Mitteilungsbedürftigkeit ihres Handys nicht verschont, die auch Auskunft über den viel zu hohen ökologischen Fußabdruck der beiden Beziehungssuchenden gibt.
Ganz und gar nicht peinlich hingegen waren die sensationelle Dreh-Kulisse und die grandiose kulinarische Versorgung bei Hellers Kuchenglocke. Musikalische Unterstützung erhielten wir dieses Jahr von den Les Bummms Boys aus Rostock mit ihrem sehr treffenden Song „Zieh den Stecker“. Der Spot feierte am 11.07.2019 seine Premiere bei den Filmnächten am Elbufer.
Best-Of Filmdreh:
„Das Handy ist erst eine Woche alt und funktioniert schon nicht mehr.“ Entrüstet steht Michael-Paul Milow im Handyladen „Kommunikation & Medien“ vor dem Verkäufer, gespielt von Christian Clauß, und kann es nicht fassen. Diese Aussage und die damit verbundene absurde Ressourcen- und Energieverschwendung kratzen den gewieften Verkäufer allerdings nicht im Geringsten. Sogleich landet das erst eine Woche alte Handy in der Mülltonne und schwuppdiwupp zaubert er auch schon ein neues Modell hervor. Wie in einen Bann gezogen lauscht Michael-Paul Milow den überzeugenden Argumenten des sympathischen Verkäufers und schwebt förmlich zur Kasse. Die liebliche Kassererin, gespielt von Susan Weilandt (tjg – theater junge generation) verweist den beseelten Kunden jedoch geschickt zurück zum Verkäufer, denn es gäbe ein gerade geliefertes, noch neueres und besseres Modell im Angebot. Dieses Spielchen treiben die Kassererin und der Verkäufer bis auf die Spitze. Während die Kasse klingelt, flüchtet der verzweifelte Kunde schlussendlich vor dem buchstäblichen „Upgradewahn“ und der Konsumspirale, die sich nicht aufhört zu drehen. Der Spot feierte am 07.08.2019 bei den Filmnächten in Chemnitz seine Premiere.
Best-Of Filmdreh:
Zusammen mit unseren Ehrenamtlichen realisierten wir den Diggatalisierungsrap! Ein saucooles Video was auf das Problem aufmerksam machen soll.
Unser herzlichster Dank geht an alle Dreh-Beteiligten, Partner und Förder sowie Spender*innen.